3 Schritte – und alle Trimmfäden fliegen gleichzeitig

Ich zeige dir die richtige Reihenfolge, die entscheidenden Leinen und die Spezialaufgaben der Windfäden an Groß- und Vorsegel. Mein dreistufiger Ansatz zieht dich gegen den Wind, als könntest du fliegen!

Es treibt einen in den Wahnsinn: Kaum stimmt der eine Trimmfaden, tanzt der andere aus der Reihe. Kann man überhaupt alle gleichzeitig zum Fließen bringen?

Ja, aber nur mit System.
Leinen greifen ineinander wie Zahnräder in einem Uhrwerk. Verändert man eines, bewegt sich das ganze System. Windfäden verraten dir, welche Zahnräder nicht ganz rund laufen – ich verrate dir, wie du sie justierst.

  1. Grundtrimm setzen: Dafür blicken wir nur auf die vorderen Windfäden im unteren Segeldrittel und stellen diese mit den Schoten ein.
  2. Twist anpassen: Mit dem Baumniederholer beim Großsegel und dem Holepunkt beim Vorsegel trimmen wir das obere Segeldrittel.
  3. Ans Limit: Es ist immer ein Spiel zwischen Auftrieb und Widerstand. Der wertvollste Faden am Achterliek findet uns die letzten 10 %.

Warum das funktioniert: Windfäden zeigen dir nie das Optimum an, nur Fehler. Deshalb müssen wir das Segel systematisch an gewisse Grenzen bringen. Diese „fehlerhaften“ Checkpoints verraten uns, wie weit wir gehen dürfen.

Was dich erwartet

Deine Trimmfäden tanzen wild und du willst endlich verstehen, was sie dir sagen? Oder suchst du gezielte Tipps, um den letzten Knoten aus deinen Segeln zu holen? Diese Seite zeigt dir nicht nur, wie es geht, sondern auch, warum es funktioniert.

  • Zunächst entschlüsseln wir die drei Phänomene, die unsere Windfäden zum Tanzen bringen: Strömungsabriss, Ablöseblasen und falscher Twist.
  • Anschließend trimmen wir das Großsegel entweder auf Kraft oder auf Effizienz.
  • Zum Schluss optimieren wir den Trimm des Vorsegels mit Holepunkt und allem, was dazugehört.

Was Trimmfäden anzeigen

Es gibt drei problematische Stellen, an denen sich die Luftströmung von der Segeloberfläche lösen könnte. Genau in diesen Wirbelzonen bringen wir Trimmfäden an.

Unser erstes Ziel: Alle Fäden sollen ruhig und waagrecht nach achtern wehen. Dann liegt die Strömung am gesamten Segel sauber an und erzeugt aerodynamischen Auftrieb – besonders auf Amwindkursen.

Wenn Trimmfäden stattdessen fallen, steigen oder tanzen, hängen sie in einem Wirbel fest. Den müssen wir finden und ausmerzen.

1. Strömungsabriss: Achterliek-Windfäden

Strömung bleibt optimal haften.
Kurs halten!
Kritscher Anstellwinkel überschritten.
Anluven / fieren!

Je steiler der Wind auf die Segel trifft (also dichtere Segel), desto stärker ist der Auftrieb. Das klappt bis zu einem kritischen Anstellwinkel. Überschreiten wir diesen, reißt die Strömung vom Segel ab und zerfällt in ein chaotisches Wirbelmeer.

  • Windfäden am Achterliek zeigen, wenn das Segel zu dicht ist und Auftrieb im hinteren Teil verliert.

Der Strömungsabriss beginnt am Achterliek, wo die Strömungslinien nicht mehr zusammenfinden, sondern separieren. Erhöhst du den Anstellwinkel weiterhin, wächst die Wirbelzone auch nach vor.

Was es bedeutet, wenn die Fäden am Achterliek nach innen zielen, nach achtern fließen oder außen kleben, klären wir beim Großsegel.

2. Ablöseblasen: Vorliek-Windfäden

Ablöseblase außen (Lee)
Anluven / fieren!
Ablöseblase innen (Luv)
Abfallen / dichtholen!

Steht das Vorliek schlecht in der Strömung, schmiegt sich die Luft nicht überall ans Segel an. Typischerweise formt sich eine Ablöseblase etwa zwei Handbreit hinter dem Vorliek.

  • Windfäden am Vorliek zeigen, wenn die Anströmkante schlecht im Wind steht. Das Segel ist ineffizient.

Die Strömung bleibt zwar laminar und legt sich weiter hinten wieder ans Segel an. Doch gerade im entscheidenden vorderen Bereich tauschen wir Auftrieb gegen Widerstand. Ein schlechter Deal!

In dieser zirkulierenden Ablöseblase tanzt unser Windfaden. Er ruft: „Ich möchte mehr Wind sehen!“.

Du hast nun zwei Möglichkeiten: Änderst du eine Leine oder den Kurs? In beiden Varianten zeigst du dem Wind mehr von der betroffenen Segelfläche.

Merkregel für vordere Windfäden

Tanzt der äußere Faden, Leine raus.
Tanzt der innere Faden, Leine rein.

Oder

Tanzt der Lee-Faden, anluven.
Tanzt der Luv-Faden, abfallen.

3. Twist für die Höhe

Twist ist die Drehung der Segelfläche nach oben hin. Wir brauchen sie, weil der Wind auf Wasserhöhe gebremst wird und damit scheinbar seine Richtung ändert.

Das Ergebnis: Oben am Verklicker dominiert die wahre Windrichtung, nach unten hin wird der von vorne kommende Fahrtwind immer deutlicher. Genau diese scheinbare Winddrehung gleichst du mit dem Twist aus.

  • Grundsätzlich gilt: bei weniger Wind mehr Twist.
Der Baumniederholer zieht den Baum nach unten in Richtung Schiffsmitte, strafft dabei das Achterliek und reduziert so den Twist.

Das klappt ganz einfach mit der Baumhöhe. Ziehen wir den Baum nach unten, straffen wir damit das Achterliek und das Segel kann sich weniger nach oben hin ausdrehen. Lösen wir hingegen den Baumniederholer bzw. Kicker, steigt der Baum und öffnet den oberen Teil des Segels.

Sobald sich die Windstärke ändert, ändert sich auch das Mischverhältnis zwischen wahrem Wind und Fahrtwind. Faule Segler verlieren hierbei 1–2 Knoten. Also ran an den Kicker!

Den scheinbaren Wind erkläre ich anschaulich in diesem Artikel, in dem wir schneller als der Wind segeln.

Großsegel-Trimmen in 3 Schritten

Ganz klar kann der hintere Bereich nicht sauber strömen, wenn der vordere Bereich Wirbel erzeugt!

Deswegen starten wir mit den vorderen Windfäden im unteren Drittel. Danach finden wir den Twist mit den Windfäden weiter oben. Zuletzt erhöhen wir die Energie im Segel, kurz bevor die Strömung vom Achterliek abreißt.

Ich nenne meine Fäden so:

Die drei wichtigsten Windfäden am Großsegel.
Kurs-Fäden, Twist-Fäden, Power-Faden

1. Kurs-Fäden (Großschot)

Ich blicke zu aller erst auf die Trimmfäden am Vorliek und beginne beim unteren Drittel des Großsegels. Diese beiden Fäden kann ich mit einer einzigen Leine einstellen und das ist die Großschot.

Ich hole die Großschot so weit dicht, bis der Lee-Faden horizontal strömt (A). Dann nur noch ein kleines Stück dichter, bis auch der Luv-Faden mitströmt (B). Nun fließt der Wind sauber am unteren Drittel des Segels.

Tanzt der äußere Faden (C), fiere ich das Segel bis zum Punkt (A) und dann wieder nach (B).

2. Twist-Fäden (Großschot und Kicker)

Jetzt kann ich auch den oberen Teil des Segels trimmen. Diese Trimmfäden funktionieren genau gleich.

A) Der innere Twist-Faden ist turbulent (Luv-Wirbel).

Dann hole ich den Kicker (Baumniederholer) dicht. Der Baum sinkt, das Achterliek schließt sich und das Großsegel verringert seinen Twist. Dadurch dreht sich die obere Luv-Seite mehr in den Wind und macht den Luv-Faden wieder glücklich.

B) Beide Twist-Fäden strömen parallel nach achtern.

Dann sind wir hier fertig. Wenn das Segel unten passt und oben passt, dann meistens auch in der Mitte.

C) Der äußere Twist-Faden ist turbulent (Lee-Wirbel).

Dann fiere ich den Kicker (Baumniederholer). Der Baum fängt an zu steigen, das Achterliek öffnet sich und das Großsegel bekommt Twist. Dadurch dreht sich die obere Lee-Seite mehr in den Wind und macht den Leefaden wieder glücklich.

Je nach Kurs und Wind beeinflussen sich Großschot und Kicker leider gegenseitig, da die Großschot auch etwas nach unten zieht. Schritt 1 und 2 wiederholt man an schlechten Tagen dreimal. Irgendwann bekommt man ein Gefühl dafür, wie viel Kicker bei welchem Wind nötig ist.

3. Power-Faden (Traveller)

Jetzt strömt die Luft sauber über das Segel und ich kann die Balance zwischen Effizienz und Power optimieren.

Power-Faden nenne ich jenen Windfaden, der etwa zwei Drittel hoch am Achterliek hängt. Er macht die Ablösung an der Abströmkante sichtbar, also unseren maximalen Anstellwinkel.

Der sensibelste Liek-Faden ist jener auf 2/3 der Segelhöhe. Der unterste wäre unzuverlässig aufgrund der Bodeneffekte (zeigt aber wunderbar die Strömung am Unterliek an). Der oberste wäre zu weit weg und hinter einer sehr kleinen Segelfläche.

A) Der Power-Faden strömt zur Innenseite hin (Luv).

Dann stimmt entweder die Trimmung noch nicht, oder das Achterliek rollt sich zu stark ein. Nie gut!

Wir haben zwar laminare Strömung über das Segel, doch an der Abströmkante schleudert es den Wind nach innen. Das erzeugt einen bremsenden Sog hinter dem Segel. Du musst das Profil oder den Twist anpassen.

B) Der Power-Faden strömt achtern

Dann haben wir nun über die gesamte Segelfläche laminare Strömung. Der Strömungswiderstand ist extrem gering und das Segel arbeitet effizient. (Aber da geht noch mehr, versprochen!)

C) Der Power-Faden legt sich auf die Außenseite (Lee).

Dann reißt die Strömung von der hinteren Lee-Seite ab. Dort verlieren wir den Unterdruck und dadurch saugt es den Faden nach vor, wo noch Unterdruck herrscht.

Das Segel steht zu aggressiv in der Strömung und wir müssen den Anstellwinkel reduzieren. Die beste Leine dafür ist der Traveller, denn der ändert das Profil nicht! Alternativ: Großschot und Kicker.

Power oder Effizienz? Auftrieb am Limit.

Wo die Strömung am Segel abreißt, geht Auftrieb verloren. Ich möchte dennoch einen leichten Abriss am Achterliek sehen:

Wir opfern zwar etwas Effizienz, gewinnen dafür enorme Power im restlichen vorderen Teil des Segels. Ich nutze so ein hart dichtgeholtes Segel, um zu beschleunigen – etwa durch tiefe Wellentäler.

Du bist im guten Bereich, wenn sich der Power-Faden 1/3 der Zeit aufs Segel legt. Sollte er nie stoppen, schenkst du Energie her und weißt nicht, wie viel.

Effizienz und Höhe: Power-Faden ~ 30 % stehend

In dieser Einstellung erreicht das Segel nicht den maximalen Auftrieb, hält aber den Strömungswiderstand niedrig. Gute Kraft bei geringen Verlusten – das klingt nach Effizienz, oder?

Kraft und Beschleunigung: Power-Faden ~ 60 % stehend

Hier reißt die Strömung häufiger ab, was den Auftrieb ans obere Limit bringt. Das Segel zieht kräftig, doch der hohe Strömungswiderstand hat seinen Preis: Die Segelkraft wirkt nun eher seitlich als vorwärts, was uns Energie und Höhe am Wind kostet.

Dieses Zusammenspiel zeige ich in meinem Artikel, der den wahren Grund für Auftrieb enthüllt. (Bernoulli ist falsch!)

Vorsegel-Trimmen in 3 Schritten

Der 3-Schritte-Flow ist ähnlich wie beim Großsegel. Zuerst trimme ich wieder das untere vordere Drittel, dann den Twist und zuletzt optimiere ich die Kraft im Segel.

Die drei wichtigsten Windfäden am Vorsegel:
Kurs-Fäden, Twist-Fäden, Power-Faden

1. Kurs-Fäden (Vorschot)

Für das untere Drittel im Segel hole ich die Vorschot so weit dicht, bis der Leefaden und dann auch der Luvfaden horizontal strömen.

2. Twist-Fäden (Holepunkt)

Ist der Kurs gesetzt, suche ich den optimalen Twist im Vorsegel. Kein Kicker? Kein Problem! Der Schlitten, mit dem wir den Holepunkt nach vor oder achtern schieben, hat einen ähnlichen Effekt: Er verschiebt das Zug-Verhältnis zwischen Unterliek und Achterliek.

A) Der innere Twist-Faden ist turbulent (Luv-Wirbel).

Also braucht die Luv-Seite im oberen Teil mehr Wind. Wir müssen den Twist reduzieren.

Dazu schieben wir den Holepunkt nach vor, was den Zugwinkel steiler macht. Die Vorschot zieht nun den oberen Teil des Segels flach und öffnet den unteren Teil.

B) Beide Twist-Fäden strömen parallel zurück.

Dann teilt die gedachte Verlängerung der Vorschot das Segel genau in der Mitte und verteilt die Zugkräfte gleichmäßig über das Segel. Genau für diese Art der Belastung ist das Segel gewebt. So bekommen wir ein konstantes Profil entlang der gesamten Höhe.

C) Der äußere Twist-Faden ist turbulent (Lee-Wirbel).

Also braucht die Lee-Seite im oberen Teil mehr Wind. Wir müssen den Twist erhöhen. Dazu ziehen wir den Holepunkt achtern, was den Zugwinkel flacher macht. Die Vorschot zieht nun den unteren Teil des Segels flach und öffnet den oberen Teil.

Merkregel für den Holepunkt

Tanzt der äußere Faden, Schotkarren raus (vor).
Tanzt der innere Faden, Schotkarren rein (rück).

3. Power-Faden (Vorschot)

Anders als beim Großsegel sollte der Power-Faden am Vorsegel mehr als 90 % der Zeit strömen. Wir brauchen die laminare Strömung für das Großsegel, weshalb wir das Vorsegel nicht ganz so hart anstellen können.

Ich nehme das Vorsegel so weit dicht, bis der Power-Faden stoppt, und lasse es dann ein paar Klicks wieder raus, bis er erneut strömt – perfekt.

Wenn das Vorsegel bereits die Strömung ins Großsegel lenkt und dieses nach innen wölbt, ist es definitiv zu dicht.

Bonus Tipps Holepunkt


Der Schlitten folgt dem Schothorn

Wenn wir das Vorsegel fieren, wandert das Schothorn rauf und nach vor. Das verändert den Zugwinkel am Holepunkt meist so, dass zu viel Twist entsteht. Also muss der Holepunkt mit nach vor, um das auszugleichen. Dasselbe gilt, wenn wir das Segel verkleinern.

Selbstwendefock

Dein Boot hat keine Genua-Schlitten, sondern ein Selbstwendefock? Ich habe solche Systeme genau aus diesem Grund gemieden – bis mir jemand das Schothorn-Brett erklärte!

Diese hat mehrere Schothornpunkte, in die man die Vorschot einklicken kann und somit den Holepunkt verschiebt. Nutzt du ein unteres Loch, verschiebt sich der Zug in Richtung Unterliek, beim oberen Loch eher in Richtung Achterliek.

Also unteres Loch mehr Twist, oberes Loch weniger Twist.

Neutralen Holepunkt finden

Dazu gehen wir auf einen hohen Amwindkurs, schicken jemanden nach vor und drehen uns fast in den Wind. Das Vorsegel wird killen und genau jetzt achtet die Person auf die Windfäden.

  • Wenn die unteren Kurs-Fäden zuerst auswehen, ist der untere Teil des Segels zu offen. Zieh den Holepunkt für mehr Twist nach achtern.
  • Sollten die oberen Twist-Fäden zuerst auswehen, ist der obere Teil zu offen. Schieb den Holepunkt für weniger Twist nach vor.

Alle Windfäden am Vorliek sollten gleichzeitig zu flattern beginnen. Dann ist die Kräfteverteilung im Stoff perfekt. Diesen Holepunkt markiere ich mir am Schlitten für die jeweilige Segelgröße als neutral.

  • Bonus: Wenn die mittleren Fäden zuerst auswehen, dann ist Vorstag zu locker und braucht mehr Zug. Dadurch spannt sich das Vorliek wieder.

Bei Halbwind bis Raumwind bringt man selten alle Vorliek-Windfäden gleichzeitig zum Strömen. Auf diesen Kursen verwindet sich das Segel enorm, weil es freier fliegt (ohne Baum). Schiebt man den Holepunkt als Gegenkraft nach vor, verliert man zu viel Spannung im Achterliek. Ein ärgerlicher Kompromiss!

Bevor ich ohne Windfäden segle, löse ich die Wolle von meinem Pullover!

Jede Crew feiert den hart erarbeiteten letzten Knoten Geschwindigkeit. Und der lässt sich nur mit Trimmfäden finden.

Meistens ruft der Zahlen-Mensch unter ihnen: „Wir sparen uns ganze 15 Minuten der Strecke!“. Alle nicken zufrieden – ohne wirklich zu realisieren, dass niemand früher ankommen will.

Tristan

Tristan

Als ICC-zertifizierter Skipper entdecke ich die Nuancen der Segelwelt. Entweder mit Leinen in der Hand, oder Tastatur unter den Fingern.