Segeln bedeutet Freiheit in alle Richtungen. Doch was, wenn die Natur die Richtung vorgibt?
Meine Grafiken zeigen dir, wie wir dem Wind trotzen. Dass die Natur sich dabei wehrt, spürt man im Gesicht und am Boot.
Ein Zusammenspiel aus Wikingern, Tornados und Flugzeugen eröffnet uns die Welt des Segelns am Limit.

Kurzfassung:
Moderne Segelboote segeln gegen den Wind, indem sie den einströmenden Fahrtwind kurvig um die Segelflächen führen und dadurch „Auftrieb“ bekommen wie ein Flugzeug. Mit dem Kiel als Gegenkraft können sie diese Energie nach vorne richten.
Die dazu nötigen Basics besprechen wir beim Raumwindkurs. Willst du gegen den Wind segeln, brauchst du auch den Amwindkurs.
Hast du die Physik des Segelns erstmal im Kopf, spürst du sie im ganzen Körper.
Ein Segelboot segelt in alle Richtungen
Wie geht das, wenn der Wind bloß aus einer Richtung bläst?
Dafür benötigen wir vier Dinge:
- Das Ruderblatt
- Den Kiel
- Den Wind im Segel
- Und einen Hauch Mathe, sorry
Hätten wir das Ruder am Heck nicht, wären wir so hilflos wie ein Heißluftballon in der Luft. Doch damit das Ruderblatt auch greift, braucht es die Anströmung vom Fahrtwasser. Im Stillstand könnte der Steuermann genauso gut Kaffee trinken gehen.
Bläst uns der Wind in eine Richtung, greift das Ruder. Nun können wir unser Heck nach Steuerbord oder Backbord ziehen und das Boot drehen. Doch wie machen wir tatsächlich Fahrt in diese neue Richtung, schräg zum Wind?
Wir benötigen eine entscheidende Erfindung der späten Bronzezeit: den Kiel. Das erste Kielschiff segelte an der Ostküste des Mittelmeeres ca. 1000 v. Chr.
Die Phönizier wussten: Den Wind kann man aufs Boot bezogen in eine Quer- und eine Längskomponente aufteilen. Die Flossen-Form des Kiels verhindert die Abdrift in Querrichtung und lässt nur die Bewegung in Längsrichtung zu. Dadurch fährt das Boot immer der Nase nach, was uns von einer großen Gummiente unterscheidet.
FWind = FQuer + FLängs


Es gibt ein Limit. Je weiter wir uns in den Wind drehen, desto weniger Windkraft wird in Fahrtkraft umgewandelt. Irgendwann gewinnt die Physik. Bei 90° gibt es überhaupt keine Vorwärtsbewegung mehr. Der Wind kippt das Boot zur Seite und mehr nicht.
So zu segeln heißt Raumwindkurs. Ich nenne es lieber:
Die Wikinger-Methode
- Mit dieser Segelstellung fangen wir den Wind ein.
Achterlich strömt er vom Heck zum Bug und pustet in das quer stehende Segel wie in einen Fallschirm. Wie dir auffällt, funktioniert diese Methode jedoch nur „windabwärts“.
Das galt auch für die Wikinger und ihre rechteckigen Rahsegel. Sie eroberten die Welt im Sturm. Warum? Weil sie gegen den Sturm nicht kannten! Tja, wer es nicht im Kopf hat, hat es in den Beinen: Wikinger trugen manchmal ihre Schiffe über Land, um den Winden zu trotzen.
Gegen den Wind war für alle Rahsegler ein Kampf gegen die Elemente und gegen das Schiff. Nur die feinfühligsten Seeleute griffen für eine Verfolgungsjagd ans Steuer. Jeder Grad zählte.
Nachdem die Ära der Drachenboote geendet hatte, machte sich im 2.-4. Jahrhundert das dreieckige Lateinersegel am Mittelmeer breit. Diese Form eröffnete eine neue Dimension:
Die Flugzeug-Methode
- Mit dieser Segelstellung leiten wir den Wind kurvig um das Segel.
Mit der Flugzeug-Methode segeln wir sogar gegen den Wind. Wir müssen ihn nur umlenken, wie es ein Tragflügel tut. Ein Segelboot funktioniert nämlich wie ein um 90° gedrehtes Flugzeug. Der obere Flügel ist bei uns das Segel.

Nehmen wir an, der Wind kommt von schräg vorne. Die Segel querzustellen bringt nichts. Der Wind würde uns einfach nach hinten pusten. Also holen wir die Segel ganz dicht ans Boot, bis sie im Wind stehen wie ein Tragflügel und Auftrieb erzeugen. Ähnlich zum Flugzeug entsteht Überdruck an der Segel-Innenseite (Luv) und Unterdruck an der bauchigen Seite (Lee).
Die Jackpot-Frage: Wie bringt uns der Auftrieb gegen den Wind? Die Kraft am Segel (FS) zeigt doch noch immer „windabwärts“.

Wieder ist das Geheimnis der Kiel. Ein Flugzeug kann mit nur einem Flügel nicht fliegen. Beim Boot ist es gleich. Der zweite „Flügel“ ist unter Wasser!
Das Fahrtwasser umströmt den Kiel – und bei Anströmung entsteht Auftrieb. So passiert es:
Zieht uns das Segel zur Seite, driften wir dorthin ab. Das Fahrtwasser strömt nun leicht schräg unter dem Boot. Anders gesagt: Der Kiel steht schief in der Strömung. Dieser Anstellwinkel erzeugt starken Auftrieb.
Somit will das Segel nach Lee und der Kiel nach Luv.
FFahrt = FSegel + FKiel
Die entgegengesetzten Auftriebs-Kräfte kombinieren sich zu einer gemeinsamen Vorwärts-Kraft und legen das Boot schief (Krängung). Die lästige Abdrift ist doch tatsächlich ein Geschenk der Physik!
Plötzlich nimmst du Fahrt auf – und das selbst gegen den Wind. Wir nennen es den Amwindkurs. Gratuliere, du bist schlauer als ein Wikinger!
Auftrieb: Die Wahrheit, die du nie gehört hast
Wirft dieses Bild bei dir auch Fragen auf?

Die gängige Bernoulli-Erklärung ist falsch. Ich enthülle den wahren Ursprung und entwirre so manche Gehirnwindung. Der Artikel ist ein garantiertes Level-Up für jeden Segler.
Die Kurse zum Wind
Mit diesem Wissen kannst du komplett um eine Insel segeln. Du wirst dabei alle Kurse brauchen und die Segel immer wieder an den Wind anpassen müssen. Je mehr du am Wind segelst, desto mehr brauchst du die Flugzeug-Methode. Klar, die aerodynamische Tragfläche wird immer wichtiger. Je mehr du im Raumwind segelst, desto mehr Wikinger-Methode. Bei Halbwind 50/50.

Die No-Go-Zone
Ein bisschen Wahrheit habe ich dir verschwiegen. Direkt gegen den Wind zu segeln, klappt nicht. Wir müssen den Wind ja umlenken, damit wir Energie aus ihm stehlen.
Je höher wir am Wind segeln, desto dichter holen wir die Segel ans Boot, damit sie optimal angeströmt bleiben. Sind die Segel parallel, ist Schluss. Drehen wir uns dennoch weiter in den Wind, verringern wir damit den Anstellwinkel und ersticken den Auftrieb.
Dann kommt noch Reibung, Wasserwiderstand und der Wind, der das ganze Boot zurückdrückt, hinzu. In der Realität entsteht ca. 40° links und 40° rechts vom Wind eine No-Go-Zone, in der das Segelboot gegen diese Verluste verliert.
Gegen den Wind kreuzen
Schon mal mit dem Fahrrad im Zickzack bergauf gefahren, weil die Puste ausging? Das können wir mit dem Boot auch; es nennt sich Kreuzen.
Anstatt uns im Wind abzuplagen, segeln wir im optimalen Winkel zuerst ein bisschen nach Steuerbord, dann ein bisschen nach Backbord, dann wieder Steuerbord. Dabei springen wir auf unserer gedachten Ziellinie hin und her und machen so unsere Meter gegen den Wind. Der Richtungswechsel heißt Wende.

Es stellt sich nun die Frage: Soll ich am Wind kratzen (hart am Wind) und direkter ans Ziel gelangen? Am Rand des Möglichen verliert man mit Sicherheit Geschwindigkeit. Oder soll ich etwas abfallen und mit Speed fleißig aufkreuzen?
Auch die schnellen Teeklipper, die im 19. Jahrhundert den Tee von China nach England importierten, mussten kreuzen. Historiker analysierten ihre Handelsrouten und stellten einen Mindestwinkel von 60° zum Wind fest. Sie mussten also zwei Seemeilen fahren, um eine Seemeile gegen den Wind zu schaffen. Abwarten und Tee trinken, wie es so schön heißt.
Im Überblick
Mit dem Wind perfektionierten bereits die Wikinger. Ihre leintuchartigen Rahsegel fingen den Wind ein, während der Kiel die seitliche Abdrift eliminierte. Übrig blieb eine Kraft nach vorne. Je steiler der Kiel zum Wind steht, desto weniger Fahrtkraft gewinnst du mit dieser Methode. Zeit, die Segel intelligenter zu nutzen!
Um gegen den Wind zu segeln, braucht es den Auftrieb am dichtgeholten Segel. Das wichtigste ist die aerodynamische Tragfläche mit leichtem Anstellwinkel. Aus der Krümmung des Luftstroms holen wir uns die Auftriebs-Energie. Sowohl von der Innenseite als auch der Außenseite.
Fängt das Segel den Wind und zieht schräg nach vorne, spürt der Kiel enormen Druck. Werden beide optimal umströmt, kombinieren sich ihre entgegengesetzten Auftriebe. Wie ein glitschiger Zitronenkern zwischen den Fingern schnellt das Boot nach vorne.
Wir wissen es nun besser als die Wikinger:
Triffst du auf Widerstand, ist Klugheit und Geduld gefragter als sture Konfrontation.
Nächstes Geheimnis?

Klar, dass das Ruder nur unter Fahrt funktioniert. Es nutzt die Flugzeug-Methode! Dabei ist es nicht zum Lenken da, sondern zum Driften. Mein Artikel zeigt es dir.