Reise- und Spitzen-Geschwindigkeit von Segelbooten

Warum nur will das Boot nicht schneller? Es sind nicht deine Segel. Auch nicht ein zu schwacher Motor.

Ich hielt die Luft an, als ich das erste Mal den Gashebel eines Speedbootes niederlegte. Schon mal den Druckpunkt kurz vorm Gleiten gespürt? Meine Grafiken zeigen dir die unglaubliche Physik.

Unsere Verdränger-Boote können davon nur träumen. Bei der Rumpfgeschwindigkeit ist sogar mit Motor Schluss.

Was uns schneller macht: die Wasserlinie.

Ich zeige dir, welche klassischen Bauformen richtig flitzen und berechne dir das Speed-Limit für dein Boot. Du bekommst außerdem eine Übersicht der Knoten und praktische Rechner:

Doch welche Geschwindigkeit möchtest du eigentlich wissen? Die GPS-, die Boots- oder die Wind-im-Haar-Geschwindigkeit?

Wer beim Segler-Gespräch keine Knoten in der Zunge haben möchte, braucht sie erst mal im Kopf. Hier habe ich sie alle entwirrt.

Wie viele Knoten kann mein Boot?

Einrumpfboote schaffen gut 4–6 Knoten (7–9 km/h). Ihre Spitzen-Geschwindigkeiten liegen bei 7, mit perfektem Kurs auch bei 8 Knoten (15 km/h). Katamarane sind ein knappes Drittel schneller.

Die Umrechnung ist denkbar einfach (1 kn = 1,852 km/h). Segler sprechen in Sachen Geschwindigkeit von drei wesentlichen Knoten. Mit keinem kann man etwas festbinden.

GPS-Knoten: Planung

Bei Strömung fahren wir nicht auf einer „Straße“, sondern eher auf einem unendlichen, verrückten „Laufband“. Dem GPS-Satelliten ist es egal, ob wir gerade gegen die Strömung oder den Wind ankämpfen, oder von ihnen profitieren. Für den gibt es nur „Boot war hier, jetzt dort“. Angezeigt werden diese Knoten als:

  • SOG (Speed Over Ground)

Mit den GPS-Knoten planen wir Törns. 5 Knoten im Schnitt sind realistisch. Manchmal fehlt der Druck im Segel, dann wiederum passt die Strömung perfekt. Ich bin lieber stolz auf eine unerwartet gute Segelleistung, als enttäuscht von einer Verspätung.

Wasser-Knoten: Tempo

Wenn die Crew mit getrimmten Segeln das letzte Fünkchen Effizienz sucht, dann will sie ans Tempo-Limit. Dieses entsteht nämlich durch die Bewegung durchs Wasser – ganz unabhängig vom Wind.

Das wären die „Wasser-Knoten“, die die Logge tatsächlich misst und anzeigt als:

  • STW (Speed Through Water)

Das STW Limit nennt sich Rumpfgeschwindigkeit und liegt meist zwischen 7 und 8 Knoten. Ob man es durchbrechen kann?

Wind-Knoten: Segel

Den Wind muss man als Segler ständig im Blick haben. Mit der Beaufort-Skala (bft) gelingt das selbst mit freiem Auge, denn für jeden Bereich gibt es eine beschreibende Wirkung an Land und am Meer. Wenn es genauer sein soll, dann mit Messgeräten, die in Knoten anzeigen. Wind-Knoten!

1–3 bft passen für ganz entspanntes Segeln, bei 4–5 bft wird es sportlich. Für 6 bft brauchst du Sturmsegel oder Reffeinrichtungen und eine motivierte Crew.

Windstärken-Rechner

Faustregel „ plus 5, durch 5

Wenn du von Knoten auf Beaufort rechnen willst, dann nimmst du die Knoten, addierst 5 dazu und teilst das Ergebnis wieder durch 5. Nicht 100 % exakt, aber du willst ja auch nicht mit deinem Boot zum Mond fliegen.

24 kn = (24 + 5) : 5 30 : 5 = 6 bft

Hier habe ich für dich eine praktische Tabelle, der die Windstärken zwischen Beaufort, Knoten und km/h umrechnet.

Bauform & Geschwindigkeit

Was sorgt bei uns Seglern für Geschwindigkeit? Sag jetzt nicht der Wind! Wichtiger ist die Bauform, mit der das Boot durch die Wellen schneidet (und die Wellen, die es dabei formt). Eine schwimmende Kartoffel hat natürlich viel Strömungswiderstand.

Einrumpfboote (6–8 kn)

Die schwimmenden Wohnmobile segelst du als sogenannten Verdränger. Der Rumpf des Bootes ist voll im Wasser eingetaucht und muss die Wassermengen an sich vorbeischieben. Viel Reibung, aber gemütlich und stabil bei jeder Wettersituation.

Mit ordentlich Schieflage erreichst du 6–8 Knoten (11–15 km/h). Kenter-Gefahr gibt es kaum, denn der schwere Kiel richtet das Boot immer auf und hält es auf Kurs.

Ganz anders funktionieren Speedboote. Sie drückt es bei hohen Geschwindigkeiten aus dem bremsenden Wasser. Das lässt sie an der Oberfläche gleiten wie ein flach geworfener Stein.

Katamarane (8–10 kn)

Sie besitzen zwei Rümpfe (Trimarane drei) und erzeugen dadurch enormen Auftrieb. Oft sind sie mit Gleitrümpfen ausgestattet und sitzen fast schon am Wasser auf. Weniger Strömungswiderstand, mehr Geschwindigkeit.

Außerdem schneiden zwei schmale Rümpfe besser durchs Wasser als ein breiter. Das bringt knapp 30 % mehr Geschwindigkeit verglichen mit Einrümpfern.

Allerdings gibt es keinen aufrichtenden Kiel. Also keine Upsi-Manöver! Für Anfänger ist weder der höhere Preis, noch die Kenter-Gefahr besonders attraktiv.

Rumpfgeschwindigkeit erklärt

Wer leistet sich nicht gerne ein unausgesprochenes Wettrennen mit benachbarten Booten?

Mit ordentlich Krängung und falscher Selbstsicherheit hatte unser Boot die Nase vorn. Doch der Vorsprung wurde knapper. Die Gegner schlossen auf. Schließlich zog die Segelyacht mühelos und mit sechs breiten Grinsern an uns vorbei. Wir hatten keine Meter. Wie sich herausstellte, wörtlich.

Der Hauptgrund für Wellen ist der Wind, der sie über die Oberfläche schiebt. Diese Wellen meine ich jetzt aber nicht. Jedes Boot erzeugt zwei eigene Wellen, die es bezwingen muss.

Bug- und Heckwelle bei Fahrt
  1. Mit dem Bug drückt sich das Boot durch das Wasser und bildet dadurch vorne einen Wellenberg. Diese Berge schieben sich am Rumpf vorbei und wandern nach hinten. (Besser gesagt, das Boot wandert durch sie hindurch.)
  2. Am Heck entsteht durch den Sog eine weitere Welle, die immer mit einem Tal startet. Hinter dem Boot kombinieren sie sich. Deine Geschwindigkeit ergibt sich daraus, wie gut du diese Wellen surfst.

Wenn du ganz gemütlich segelst, wirst du viele Wellenberge entlang des Rumpfes vorbeiziehen sehen. Auf jeden Berg folgt ein Tal.

3 Knoten Fahrt

Erhöhst du das Tempo (STW), werden die Wellenberge weniger, da das Boot sie einholt. Vom Deck aus gesehen vergrößert sich der Abstand der Wellenberge am Rumpf.

Die erste Wand: Rumpfgeschwindigkeit

Irgendwann bist du so schnell, dass der Abstand zwischen den Bergen genauso groß ist, wie dein Boot lang ist; eine Bergspitze am Bug und eine am Heck. Aber eben nur ein Tal dazwischen!

Mit anderen Worten: Das ist die größte nasse Oberfläche am Rumpf, die möglich ist … neben Kentern. Somit auch der größte Wasserwiderstand.

6 Knoten Fahrt – Rumpfgeschwindigkeit

Gratuliere, du hast die Rumpfgeschwindigkeit erreicht!

Aber leider nur am Papier. Bevor das passiert, wird der Wasserwiderstand immer größer und größer und bremst immer stärker und stärker. Selbst mit perfekt gesetztem Segel wirst du sie wohl nie erreichen. Nur mit einem längeren Boot geht es schneller.

Schon eine Idee, wieso?

Das größte Kreuzfahrtschiff der Welt Wonder of the Seas schafft mit seinen 362 Metern sogar 25,1 kn (46 km/h)! Ganz einfach deshalb, weil die „Rumpfwelle“ zwischen Bug und Heck auch bis zu 362 m wachsen darf. Bis das geschieht, muss es einiges an Geschwindigkeit ansammeln. Danach ist auch für Mega-Schiffe Schluss.

Rumpfgeschwindigkeit Rechner

Die Rumpfgeschwindigkeit eines Bootes hängt von seiner Wasserlinienlänge ab und beträgt (in Knoten) 2,43 mal die Quadratwurzel der Wasserlinienlänge (in Metern). Für Verdränger markiert sie die Höchstgeschwindigkeit.

Rumpfgeschwindigkeit in Knoten

Die allgemeine Formel für die Rumpfgeschwindigkeit (in m/s) zeigt uns den Hintergrund.

Rumpfgeschwindigkeit in m/s

Du brauchst dafür:

  1. die Länge der Wasserlinie deines Bootes in Metern. Hast du diese nicht, nimm die Bootslänge als optimistische Schätzung.
  2. die allgegenwärtige Erdbeschleunigung: g = 9,81 m/s²
  3. die schönste unendliche Zahl der Welt: π ≈ 3,14

(Rechnest du die Konstanten zusammen und wandelst in Knoten um, kommt der Faktor 2,43 heraus.)

Ich möchte dich mit der Mathematik nicht langweilen, aber zeigt die allgemeine Formel nicht in einfacher Weise den Ursprung der Rumpfgeschwindigkeit?

Fährst du mit deinem Finger entlang der Welle am Rumpf, bekommst du eine ganze Sinus-Periode (von Berg zu Berg). Mathematiker beschreiben das mit der Zahl 2π. Der Abstand zwischen den zwei Wellenbergen ist deine Wasserlinie. Wie schnell diese Berge sinken und steigen, hängt natürlich von der Erdanziehungskraft g ab.

Tabelle Wasserlinie (WL) & Rumpfgeschwindigkeit (RG)

WLWLRGRGRG
MeterFußm/skm/hkn
4132.59.04.9
5162.810.15.4
6203.111.05.9
7233.311.96.4
8263.512.76.9
9303.713.57.3
10334.014.27.7
11364.114.98.1
12394.315.68.4
13434.516.28.8
14464.716.89.1
15494.817.49.4
16525.018.09.7
17565.218.510.0
18595.319.110.3
19625.419.610.6
20665.620.110.9
21695.720.611.1
22725.921.111.4
23756.021.611.6
24796.122.011.9
Umrechnungstabelle zwischen Meter, Fuß und Geschwindigkeit für die Länge der Wasserlinie (WL) und Rumpfgeschwindigkeit (RG)

Die zweite Wand: Rumpfgeschwindigkeit durchbrechen

Hätten wir unser kleines Segelrennen mit Motor (unverdient) gewinnen können?

Segeln durch Windkraft wird bis zur Rumpfgeschwindigkeit einfach zu ineffizient. Doch ein paar zusätzliche PS könnten dich sprichwörtlich über den Berg bringen.

Überschreitest du die Tempo-Wand, wird der Abstand der Wellenberge größer als dein Boot lang ist. Aus zwei Wellenbergen und einem mittigen Tal entsteht allmählich ein Wellenberg vorne und ein Tal hinten. Das ist auf jeden Fall wieder effizienter, da prozentuell weniger Rumpf von Wasser umgeben ist.

8 Knoten Fahrt – Motorunterstützung

Aber sieh dir dein Boot an! Vorne eine riesige Welle und hinten ein mega Tal, das noch dazu vom Hecktal verstärkt wird. Dein Boot steht schief!

Jetzt schneidet es nicht mehr kantig durch das Wasser, sondern drückt sich mit der Breitseite durch die Gezeiten. Gratuliere, dein brüllender Motor hat dir vielleicht zwei Knoten gebracht.

Gut, dass wir Segler die Gemütlichkeit im Blut haben.

Schneller geht es nur mit einem Speedboot und Gleitrumpf. Schon mal diese zweite Wand gespürt? Das ist genau der Moment, in dem das Boot die Nase aufrichtet und sich gegen das Wasser presst. Noch ein halber Knoten mehr ... und wir sitzen auf dem Wellenberg auf. Herrlich, wir gleiten!

Übrigens: Wettkampf-Speedsegler durchbrechen die Rumpfgeschwindigkeit auf unkonventionelle Weise. Sie besitzen Wasser-Tragflächen unter dem Rumpf und fliegen die meiste Zeit!

Die Rennboote in America's Cup segeln satte 30 Knoten (55 km/h) und durchbrechen bei perfektem Kurs locker 40 Knoten (74 km/h). Der Rekord 2023 liegt bei 50.7 Knoten (94 km/h)!

Sie segeln nicht nur gegen den Wind, sondern sogar schneller als der Wind! In diesem Artikel brechen wir dieses scheinbare Paradoxon.

Mit welcher Geschwindigkeit planen?

Eine Einheit brauchen wir noch, aber dann ist Schluss: die Seemeile.

1 Knoten = 1 Seemeile pro Stunde (= 1,852 Kilometer pro Stunde)

Bei durchschnittlich 5 GPS-Knoten schafft man also 5 Seemeilen in einer Stunde (9 Kilometer). Eine motivierte Crew würde damit 40 Seemeilen (74 km) schaffen, wenn sie 8 Stunden lang segelt. Ein sehr gutes Tagesziel. Wer es gemütlicher angeht, plant mit 15-20 Seemeilen pro Tag.

Beispiel: Bei 6 Knoten Fahrt brauchst du für eine Seemeile 10 Minuten.

  • 6 kn = 6 sm/60 min = 1 sm/10 min.
  • Bei 5 Knoten: 12 Minuten.

5 GPS-Knoten im Schnitt sind ein wirklich guter Anhaltspunkt. Du kannst diesen Wert auch gerne an dein Boot anpassen. Aber wer es letztlich entscheidet, ist Poseidon.

Zusammengefasst

  • 1 Knoten = 1 Seemeile pro Stunde
  • 1 Seemeile = 1,852 Kilometer
  • 6 Knoten = 6 Seemeilen / Stunde = 1 Seemeile / 10 Minuten
  • X Beaufort ≈ (X Knoten + 5) : 5
  • Rumpfgeschwindigkeit (kn) ≈ 2.4 * Wurzel (Wasserlinie)

Wenn du beim nächsten Segelurlaub ein schnelles Boot willst, dann nimm eines mit einem langen, schmalen Rumpf (oder zwei). 5 bft (21 Wind-Knoten) sind ideale Bedingungen, um das Limit auszureizen.

Die Rumpfgeschwindigkeit wird immer die Tempo-Wand bleiben. Ein breiter Berg am Bug, einer am Heck und nur ein Tal dazwischen – das sorgt für den höchsten Widerstand im Wasser.

Aber seien wir uns mal ehrlich. Zum Flitzen sind wir beide nicht an Deck. Wir wollen doch nur das Beste aus dem Wind machen, Spaß am Optimieren haben und gute Manöver hinlegen.

Und wenn das Limit erreicht ist, lehnen wir uns zufrieden zurück.

Tristan

Tristan

Als ICC-zertifizierter Skipper entdecke ich die Nuancen der Segelwelt. Entweder mit Leinen in der Hand, oder Tastatur unter den Fingern.