Möchtest du ein Boot steuern und nicht wie ein Fisch auf dem Fahrrad wirken?
Dieses Gefühl hatte ich auch einmal. Meine Finger umklammerten das Steuer, als wollte es mir jemand stehlen. Die Segel waren hin- und hergerissen, wie ich.
Hoffentlich passiert mir keine Patenthalse! Was mache ich bei Mann über Bord? Oder Skipper über Bord?!

Mit meinem Guide navigierst du sicher durch die Segelbegriffe und souverän durch alle Kurse. Hier erkläre ich dir die Grundlagen, die besonders am Steuer wichtig sind.
Ich zeige sie dir anschaulich und gebe dir Hilfsmittel für die Praxis. Mit einem einfachen Notfallplan vermeidest du eine Katastrophe und kannst dich am Steuer entspannen. Die Crew wird es dir gleichtun.
Damit sich alle voll auf dich verlassen können, musst du in diesen vier Aspekten sattelfest sein.
- Wie lenkt ein Ruder das Boot?
- Wann falle ich ab, wann luve ich an?
- Wie interpretiere ich den Verklicker?
- Wie fahre ich eine Wende oder Halse?
Starten wir hinten, beim Ruder.
Letzten Winter lernte ich das alte Wikinger-Volk kennen. Die Dänen steckten mich gleich am ersten Tag in ihr Drachenschiff-Museum. Morsche Wracks, die sie nach Jahrhunderten aus den Tiefen zerren mussten, vermitteln heute noch die unaufhaltsame Stärke Thors.
Über eines wunderte ich mich: warum das Ruder auf der rechten Seite?
Sorry, die Antwort habe ich bis heute nicht. Einen Aha-Moment bekam ich allerdings. Rechts vom Schiff wurde gesteuert … Steuerbord! Um das Ruder rechts außen zu bedienen, musste der Steuermann längs zur Schiffsmitte stehen. Sein Rücken (Back) zeigte also zur linken Schiffsseite … Backbord!

Heute sitzt das Ruderblatt symmetrisch am Heck. Wir brauchen auch keine von ihrer Kriegslust getriebenen Ruderer. Das übernimmt für uns der Propeller. Von der Nussschale bis zum Frachter sitzt dieser vor dem Blatt.
Das Ruder greift nur bei Anströmung. Durch die Positionierung können wir es selbst aus dem Stand heraus umströmen und bleiben manövrierfähig.
Je schneller das Boot, desto griffiger das Ruder. Im Stillstand sind wir Mutter Natur ausgeliefert und verlieren jegliche Kontrolle. Ich nenne es den Gummienten-Effekt. Deswegen bekomme ich beim Anlegen zwischen millionenschweren Yachten die ein oder andere Konzentrationsfalte.
Nun müssen wir das Ruder auch drehen können. Auf größeren Booten genießt man den Komfort des Steuerrads. Es funktioniert gleich wie beim Auto. Steuerbord lenken heißt Steuerbord fahren. Das klingt zwar intuitiv, bringt uns jedoch auf eine falsche Fährte. Wir sitzen ja nicht im Auto, sondern im Boot.
Die Pinne bringt Intuition
Auf kleinen Jollen spürst du das wahre Geheimnis. Hier drehst du das Ruderblatt mit der Pinne – Wikinger-Style.
Das ist eine Stange aus Holz oder Aluminium, die am Kopf des Ruders ansetzt. Der Hebelarm gibt dir die nötige Kraft, um das Ruder gegen das Fahrtwasser zu pressen.
Drückst du die Pinne nach Backbord, dreht sich das Ruderblatt nach Steuerbord und umgekehrt. Ich stelle mir gerne vor, mit der Pinne das Heck zu schieben oder zu ziehen. Genau das tun wir nämlich.

Bei meinem ersten Törn als Skipper einer 43-Fuß-Yacht packte ich die Notpinne aus. Puh, wie ich das leichtgängige Steuerrad nun schätze! Der Muskelkater am nächsten Morgen war es dennoch wert. Mit der Pinne spürte ich das direkte Feedback und die eigenwillige Dynamik hautnah.
- Wer sein Boot liebt, der schiebt.
Das Ruder nutzt Auftrieb
Warum überhaupt braucht das Ruder Anströmung? Weil es wie ein Flugzeugflügel funktioniert.
Den dynamischen Auftrieb nutzen wir an den Segeln, am Rumpf, am Kiel und am Ruder. Die übliche Erklärung, die wir alle kennen, ist Blödsinn.
Hier das Wichtigste in Kürze.
Ein neutrales Ruder steht mittschiffs in Fahrtrichtung und schneidet hydrodynamisch durchs Wasser. Stellt es sich quer, entsteht Auftrieb.
Der Auftrieb am Ruder wirkt genau in Richtung Steuerbord oder Backbord. Diese Kraft drängt das Ruderblatt zur Seite. Da ein ganzes Boot dran hängt, zieht es das Heck mit.
Deswegen steuern wir nicht mit der Nase, sondern mit dem Po!

Diese Seitwärts-Kraft gewinnen wir aus der Krümmung des Wasserstrahls um das Ruder. Je größer der Anstellwinkel, desto stärker der Auftrieb. Leider wächst auch der Strömungswiderstand mit. Je öfter und stärker du einlenkst, desto mehr Verluste schleifst du hinter dir nach.
Anluven oder Abfallen?
Das erste Mal selbstständig am Steuer hat man viel zu überlegen. Kurz über den Wind nachgedacht und schon kommt man vom Kurs ab.
Luv ist doch da, wo der Wind herkommt … und der Wind bläst von …
„Anluven … AN luven … ANLUVEN!“, rief mein Segellehrer. Ja wie jetzt? Steuerbord ist da, wo der Daumen Backbord ist?!
Das Vorsegel warnt dich
Die falsche Entscheidung kann gefährlich werden. Ich orientiere mich gerne am Vorsegel. Wenn es zu killen beginnt (Falten wirft), muss reagiert werden. Luvst du an oder fällst du ab?
Beim Amwindkurs passiert noch relativ wenig. Killt das Segel, hast du dich zu sehr in den Wind gedreht. Du wirst wahrscheinlich in einer halben Wende verhungern.
- Hier musst du abfallen. Das bedeutet, die Nase aus der Windquelle drehen. „Die Nase abwenden.“

Böser endet es beim Raumwindkurs. Das killende Segel ist der Vorbote einer Patenthalse! Dabei schmeißt sich der Baum schlagartig auf die andere Seite und gefährdet die Crew, das Boot und zumindest das Ego.
- Hier musst du anluven. Das bedeutet, die Nase zur Windquelle drehen. „Die Nase anziehen.“
Ich hatte anfangs große Orientierungsprobleme beim Raumwindkurs. Vor allem in der Nähe einer Patenthalse wird man schnell nervös und braucht einen Anhaltspunkt. Ich blickte nach oben zum Verklicker, doch die zwei Enden verwirrten mich nur. Bis mir jemand den Trick mit der Nase ins Ohr flüsterte.
Suche die Windquelle und steuere mit deiner Nase. So findest du den richtigen Kurs ganz leicht.
Lies den Verklicker sekundenschnell
Er sieht aus wie der Pfeil eines Wetterhahnes und besteht aus drei Teilen, die an der Mastspitze (Masttopp) befestigt sind. Hier sind einige Tipps, wie du den Verklicker bei einem Blick nach oben richtig interpretierst.
Wenn es am Bildschirm nur schwer klappt – ganz normal! Erst an Bord erscheint es so richtig logisch. In der Realität bleibt ja der Pfeil stehen und die Markierungen drehen sich mit dem Boot. Am besten wäre, du hältst dein Handy nach oben und stellst dir den Verklicker am Masttopp vor.

Der Pfeil richtet sich im Wind aus und zeigt mit seiner Spitze immer zur Windquelle (Luv). Am hinteren Ende sitzen die roten „Federn“, damit man die Richtung gut erkennt. Das flache rote Ende zeigt also genau wohin der Wind uns bläst: nach Lee.
Meist gibt es noch zwei weitere dieser roten Plättchen. Die sind fix am Mast montiert und markieren die Zone, in der wir noch gut segeln können, ca. 35° zum scheinbaren Wind. Liegt das rote Pfeilende innerhalb der Marker, stehen wir im Wind. Hier sind unsere Segel machtlos.
Zum Setzen und Bergen des Großsegels brauchen wir genau diese Situation. Steht das Boot exakt im Wind, kann sich der gefierte Baum auspendeln und wir verhindern unnötigen Druck im Segel.
Amwindkurs und Wende
Segelst du diesen Kurs, kommt der Wind von schräg vorne. Hier musst du darauf achten, dass die roten Federn außerhalb der markierten Zone bleiben. Das Maximum wäre „hart am Wind“, wenn sich die Federn an die Markierung schmiegen. Bist du innerhalb, fängt das Vorsegel an zu killen. Abfallen!

- Skipper: Klar zur Wende!
- Vorschoter antworten: Klar!
- Skipper: Ree!
Das war dein Stichwort. Nun ziehst du den Bug durch Luv. Wir wenden immer zur Pfeilspitze hin: im Bild nach Backbord. Das machst du am besten gefühlvoll aber zügig, damit wir nicht zu lang im Wind stehen und Fahrt verlieren.
Die Federn dürfen nun durch die markierte Zone rüber auf die andere Seite. Weiter geht’s!
Raumwindkurs und Halse
Bei diesem Kurs kommt der Wind von hinten (achterlich). Hier musst du aufpassen, dass die Spitze außerhalb der markierten Zone bleibt. Die gefürchtete Patenthalse ist dann nicht mehr weit. Dein Vorsegel killt und warnt dich. Anluven!

- Skipper: Klar zur Halse! Großschot dicht! Preventer lösen!
- Großschoter und Vorschoter antworten: Klar!
- Skipper: Rundachtern!
Dein Stichwort für die Halse. Du ziehst das Heck durch Luv. Wir halsen immer zu den Federn hin: im Bild nach Steuerbord. Dabei kannst du dich ruhig etwas gefühlvoller drehen.
Die Pfeilspitze darf nun durch die markierte Zone rüber auf die andere Seite. Bravo, eine erfolgreiche Halse!
Der sicherste Notfallplan
Der Verklicker ist anfangs eher verwirrend als hilfreich. Im Zweifelsfall überlege dir, wohin anluven wäre: Deine Nase muss in den Wind, zur Pfeilspitze. Kommst du in eine Stresssituation, bei der du nicht weiter weißt, einfach anluven. Beim Raumwindkurs hast du genau richtig reagiert, beim Amwindkurs bringst du halt das Boot zum Stehen. Auch nicht schlimm, oder?
Generell empfehle ich dir immer eine Gehirnzelle für die Windquelle bereitzuhalten. Spucken, Pinkeln oder Rauchen klappt nach Lee besser als nach Luv.
Anluven kannst du immer ohne Gefahr. Auch die Wende klappt bei jedem Kurs, ohne die Segel zu ändern. Wichtig ist, dass du den Bug zuerst durch die Windquelle ziehst. Bei Mann über Bord zählt man auf deine Entscheidung.
Bereit für das Abenteuer?
Als ich das erste Mal am Steuer die Verantwortung hatte, summte es in meinem Kopf: nur keine Patenthalse, nur keine Patenthalse, nur keine … „Rundachtern!“ . Mit schwungvollem Ruder luvte ich sofort an. Der stehende Teil der Crew riss die Hände in die Höhe, um die Balance zu behalten. Ups, das andere Backbord wärs gewesen.
Ich hoffe, meine Grafiken haben dir geholfen. Die allerbesten Lehrer sind dennoch der nasse Wind im Gesicht, der schunkelnde Boden unter den Füßen und jede Menge Fehler. Und das bekommt man nur am Boot.

Falls du wie ich am Land festsitzt, lesen wir uns hoffentlich bei meinen weiterführenden Tipps am Steuer.
Mast- und Schotbruch!