Heute knacken die Leinen und es peitschen die Segel. Wer mit dem Wind tanzt, fühlt sich dabei so richtig wohl. Die anderen schwitzen an der Winsch, während sich das Boot immer tiefer ans Wasser legt. Oder noch schlimmer: Sie bleiben einen weiteren Tag im Hafen und blicken den Kollegen am Horizont nach.
Der Unterschied? Ein solides Selbstvertrauen beim Reffen. Dazu besprechen wir die wichtigen Grundüberlegungen, damit deine Segel genauso Spaß haben, wie du.
Hätte ich bereits reffen müssen? Warum geht es so schwer? Welches Segel, welches Reff und welche Leine zuerst? Wer versehentlich mal die Dirk stramm wie eine Harfensaite gespannt hat, kennt dieses Leinen-Chaos.

Ich zeige dir meine Lieblings-Techniken aus der Praxis, die für mich in der Brise und im Sturm wie am Schnürchen laufen.
Es gibt drei Gründe, weshalb wir reffen. Zwei Positionen, in denen es reibungsfrei klappt. Und eine gewisse Reihenfolge.
Übersicht
Wichtige Begriffe
- Setzen: das Aufziehen von Segeln
- Einreffen: das Verkleinern von Segeln
- Ausreffen: das Vergrößern von Segeln
- Bergen: das Herunternehmen von Segeln
- Vorliek: vordere Segelkante zwischen Kopf und Hals
- Achterliek: hintere Segelkante zwischen Kopf und Schothorn
- Unterliek: untere Segelkante zwischen Hals und Schothorn
Bei wie viel Wind Reffen?
Du willst die eine magische Zahl, oder? Wenn ich dir eine nennen muss: Bei 5 Beaufort bin ich bereits im Reff 1, darüber im Reff 2. Wir reffen aber eigentlich aus zwei offensichtlichen Gründen: Krängung und Ruderdruck.
Die Krängung ist die Schieflage des Bootes. Beim Amwindkurs ist sie besonders zu spüren: Der Auftrieb am Segel drückt es zum Wasser und der Auftrieb am Kiel zieht ihn nach oben. So soll es sein. Doch eine übertriebene Schieflage erhöht die Abdrift, verringert die Ruderwirkung und raubt nach 5 Minuten den Spaß an Deck.
Dieses Drehmoment können wir nur mit einer kleineren Angriffsfläche begradigen. Es ist Zeit, das Großsegel zu reffen, denn damit reduzieren wir die Krängung am effektivsten.
Großsegel ab 25° reffen
Ich warte nicht, bis eine Böe die Kabine zum Cocktail Shaker macht. Spätestens bei 25° Krängung starte ich das Reffen des Großsegels. Schiefer ist nicht schneller. Moderne Boote schneiden mit 15-20° am besten durchs Wasser. (Katamarane wohl eher nicht … aber die haben eigene Reff-Tabellen.)

Im raumen Wind bleibt die Krängung jedoch aus und verleitet einen, mit viel zu viel Tuch zu segeln. Überredet man sich zum Reffen des Großsegels, muss man in den Wind – und schon zieht das Leedeck durchs Wasser. Deshalb reffe ich selbst im Raumwind lieber zu früh als zu spät.
Vorsegel bei Ruderdruck reffen
Das Reff 1 im Großsegel richtet uns wieder auf. Allerdings haben wir etwas anderes dabei verstellt: die Balance zum Vorsegel. Dieses Ungleichgewicht spüren wir am Ruder.
Beim Reffen verschiebt sich nämlich der Segeldruckpunkt (der Mittelpunkt der Segelkräfte). Mehr Wind-Power im Vorsegel drückt den Bug weg – wir segeln leegierig. Mehr Wind-Power im Großsegel drückt das Heck weg – wir segeln luvgierig.
Je größer das Ungleichgewicht zwischen den Segeln, desto stärker musst du mit dem Ruder dagegenhalten, um auf Kurs zu bleiben. Das ist ineffizient und anstrengend. Niemand will ein quer stehendes Ruderblatt hinter sich herschleifen.
Bei extremer Krängung spürt man das besonders, denn da kämpft man meistens mit starker Luvgierigkeit. Ein Reff im Groß schlägt diese zwei Fliegen mit einer Klappe. Es richtet uns auf und verschiebt den Segeldruckpunkt etwas nach vorne.
Nun zu leegierig? Hier hilft nur ein kleineres Vorsegel.

Wie du das Ruder gekonnt im Griff behältst, zeige ich dir in meinem Artikel. Dort veranschauliche ich auch die Luv- und Leegierigkeit.
Die ideale Reff-Position
Großsegel am Wind oder im Beilieger
Wollen wir das Großsegel reffen, gehen wir auf einen hohen Amwindkurs (Steuerbordwind). Die Großschot und den Baumniederholer lösen wir, bis sich der Baum locker in Lee auspendelt. Bei Winddruck verzieht sich das Segel und verbeißt sich liebend gerne in den Führungen.

Warum nicht exakt im Wind stehen? Wir sind doch Segler. Also lass uns mit dem Vorsegel am Wind weitersegeln!
Mit oder ohne Motor, wir brauchen nur so viel Fahrt wie nötig und so wenig wie möglich. Optimal wären 1–2 Knoten. Dadurch gewinnen wir Raum und strapazieren das killende Großsegel nicht unnötig im Gegenwind.

Übrigens klappt das Reffen prima im Beilieger. Hier habe ich eine bildhafte Anleitung für dich. Damit verschenkst du keine unnötigen Meter nach Luv, wenn dein Ziel im Lee ist. (Es ist auch bequemer).
Vorsegel fliegend
Bitte einmal umdrehen! Das Vorsegel ändert sich am liebsten fliegend. Damit ist Raumwind gemeint. Dieser bläst das Tuch schön prall auf, während das Großsegel Windschatten spendet.

In dieser Position ist der Druck raus und das Vorsegel lässt sich locker setzen, reffen und auch bergen. Der Raumwind drückt den Masten etwas nach vorne, was das Vorstag entlastet und die Lager der Rollanlage geschmeidig laufen lässt. Falls möglich, kann man das Achterstag etwas lösen.
Der raume Wind geht uns hier zur Hand. Aber Achtung! Man muss die Reffleine kontrolliert fieren, damit das Vorsegel nicht gewaltvoll ausrauscht. Unbedingt den Zug vorher brechen! 600°C sind auch mit Handschuhen unangenehm.
Vorsegel am Wind setzen oder reffen: schlimm?
Am Wind ist alles knallhart auf Zug und schwergängig. Das Vorsegel schlägt im stärkeren scheinbaren Wind und wird nicht vom Groß geschützt. Dann knallen noch die Wellen von vorne aufs Boot. Das sind wilde Zeiten am Vorschiff.
Roll-Vorsegel wickeln sich beim Einreffen und Bergen dick und faltig auf. Das ist schlecht fürs Segel und schlecht für die Anströmkante. Aber ja, setzen oder ausreffen kannst du das Vorsegel auf allen Kursen. Wenn du möchtest.

Die fragile Wickelanlage sollte dabei per Hand bedient werden. Für diese Größenordnung ist sie ausgelegt. Wirfst du die Leinen um die Winsch, vergiss deine übermenschlichen Kräfte nicht!
Die beste Reihenfolge
- Setzen und Bergen: Groß soll stehen.
- Ein- und Ausreffen: Vorsegel soll stehen.
Setzen: Großsegel zuerst
Grundsätzlich setzen wir zuerst das Großsegel und danach das Vorsegel.
Dafür werfen wir den Motor an und tuckern mit 1–2 Knoten Fahrt im oder am Wind. Wir setzen das Großsegel und bekommen schon mal ein Gefühl für die richtige Reffstufe im Wetter. Nun bringen wir den ersten Trimm rein und wechseln von Diesel auf Windkraft.
Das Vorsegel setzen wir fliegend, also drehen wir auf einen tiefen Raumwindkurs. Freundlich vom Groß, dass es uns bereits Windschatten spendet.
Reffen: Volles Vorsegel, volle Fahrt!
Auch beim Einreffen greifen wir grundsätzlich zuerst ans Großsegel, damit das Vorsegel stehen bleiben kann.
Erstmal verkleinern wir das Groß am Wind um eine Reffstufe. Das verringert die Krängung und macht uns weniger luvgierig. Danach wechseln wir auf Raumwindkurs und reffen das Vorsegel ebenfalls um eine Stufe. (Falls nötig.)
Noch immer zu viel Tuch? Dann wiederholen wir die Schritte: erst eine Reffstufe im Großsegel, danach eine im Vorsegel.
Beim Ausreffen denken wir genau umgekehrt: zuerst an das Vorsegel. Volles Vorsegel, volle Fahrt!
Bergen: Großsegel zuletzt
Bergen ist das Gegenteil von Setzen, also machen wir die Schritte einfach rückwärts.
Zuerst bergen wir das Vorsegel im tiefen Raumwindkurs im Windschatten des Großsegels. Der sanfte Wind strafft das Segel, damit wir es faltenfrei und ohne Druck einrollen können.
Danach steuern wir in den Wind, schalten den Motor ein und bergen das Großsegel. Auf zum Hafenbier!
Die unpraktische Reihenfolge
Jedes Boot hat eigene Vorlieben. Das weiß ich natürlich. Ich musste jedoch in dieser Reihenfolge immer wieder Probleme überwinden. Wenn es mal wo hakt, dann genau im Ernstfall.
Was passiert, wenn wir das Vorsegel zuerst setzen?
Die meisten Boote besitzen Rollvorsegel. Hier ist die Arbeit schnell getan. Danach müssen wir allerdings in den Wind, um das kniffligere Großsegel zu setzen. Unser Vorsegel schlägt währenddessen heftig und peitscht die arme Person am Mast aus. Das ist für Mensch und Segel nicht angenehm.
Etwas besser wird es, wenn du das Großsegel, wie beim Reffen, am Wind setzt. Solange es nirgends hängen bleibt, sehe ich eigentlich keinen Nachteil. Nur gab es eben keinen Windschatten für das Vorsegel.
Was passiert, wenn wir das Roll-Vorsegel zuerst reffen?
Mit dem Vorsegel alleine können wir problemlos alle Kurse fahren, auch hoch am Wind. Mit dem Großsegel alleine ist am Wind bereits eine Herausforderung und hoch am Wind unmöglich.
Wir müssen allerdings hoch am Wind sein, um das Großsegel gut reffen zu können! Das ist dann nur noch mit Motor möglich.
Deswegen möchte ich das Vorsegel so lange wie möglich voll ausgerefft haben. Wir behalten eine saubere Anströmkante und glätten den Luftstrom über das Großsegel. Eine herrliche Symbiose.
Reffen ohne Motor hat einfach mehr Klasse. Und dafür brauchen wir ein effizientes Vorsegel.

Wer sein Vorsegel wechseln kann, ist hier eindeutig flexibler. Da würde ich einfach auf eine gesunde Balance zwischen Großsegel und Vorsegel achten.
Was passiert, wenn wir das Großsegel zuerst bergen?
Es ist der gleiche Nachteil: Wir müssen das Großsegel am Wind bergen, sonst peitscht das Vorsegel. Bergen wir das Vorsegel im Raumwind, dann eben ohne Windschatten. Außerdem braucht es eine dosierende Hand am Gashebel, damit Raumwind auch während dem Bergen Raumwind bleibt.
Mein Vater hat übrigens eine andere Eselsbrücke:
- Einreffen: Zuerst das Groß klein.
- Ausreffen: Zuerst das Klein groß.
Rollgroß-Reffsystem
Hier drehen wir eine Stange im Masten, über die das gesamte Großsegel aus- oder eingerollt wird. Es läuft extrem harmonisch, solange man sich bemüht. Kennt jeder von zuhause.
Üblicherweise wickelt eine Spindel das Segel gegen den Uhrzeigersinn auf. Der Schlitz im Masten ist meistens nach Steuerbord versetzt. Es gibt also eine Schokoladenseite: Backbord-Baum. Damit rutscht das Segel optimal durch die Führung.

Den Baum halten wir rechtwinklig zum Masten, damit sich das Segel gerade und faltenfrei einrollt. Reffen ist ein Duett. Mit Feingefühl fieren wir den Ausholer (Unterliekstrecker) während wir die Reffleine dichtholen. Das vermeidet Falten in der engen Wickelanlage.
Kurzanleitung Roll-Groß einreffen (bergen)
- Achterstag etwas lösen (falls möglich)
- Hoch am (Steuerbord) Wind
- Großschot fieren
- Den Baum waagrecht halten
- Reffleine dichtholen, Unterliekstrecker im Duett fieren
- Bei gewünschter Segelfläche die Reffleine festmachen
- Unterliekstrecker durchsetzen (Trimm)
- Großschot dichtholen und Baumniederholer trimmen
- Falls geborgen (UV-Dreieck): den Baum andirken
Kurzanleitung Roll-Groß ausreffen (setzen)
- Achterstag etwas lösen (falls möglich)
- Hoch am (Steuerbord) Wind
- Großschot und Baumniederholer fieren
- Unterliekstrecker dichtholen, Reffleine im Duett fieren
- Bei gewünschter Segelfläche die Reffleine festmachen
- Unterliekstrecker durchsetzen (Trimm)
- Dirk lösen
- Baumniederholer und Großschot dichtholen (Trimm)
Traditionelles Binde-Reffsystem
Traditionelle Reffsysteme ziehen das Großsegel nach unten und falten das untere Segment dabei ein. Den losen Teil fixieren wir einfach am Baum und setzen das nun kleinere Segel mit der Großfall wieder durch. Schon sind wir im Reff 1.

Die meisten Boote haben zwei oder drei Reffstufen eingebunden. Beim Reff 2 wird einfach der nächste untere Teil in der gleichen Abfolge zum Baum gebracht. Beim Reff 3 kannst du es dir schon denken. Reff 4 ist unüblich, denn bei dieser Windstärke wechseln wir lieber auf spezielle Sturmsegel.
Die grundlegenden Schritte beim Einreffen:
- Das Großsegel herunterlassen
- Die Vorliek-Reffleine durchsetzen
- Das nun kürzere Vorliek mit der Großfall durchsetzen
- Die Achterliek-Reffleine durchsetzen
Einleinen-Reffsysteme funktionieren gleich, nur eben mit einer Reffleine pro Stufe. Diese zieht die Reffpunkte im Vorliek und Achterliek gemeinsam an den Baum. Manchmal muss man das Vorliek auch selbst einhaken.
Kurzanleitung Binde-Groß einreffen:
- Kurs hoch am (Steuerbord) Wind
- Baum locker in Lee (Großschot & Baumniederholer)
- Baum mit Dirk halten
- Großfall fieren bis zur Reffstufe
- Reffleinen dichtnehmen
- Großfall durchsetzen (Vorliek)
- Dabei Segel und Leinen beobachten
- Dirk fieren
- Segelkurs wählen und erster Trimm
Tipp: Die übrig gebliebene Lose in den anderen Reffleinen muss man nicht dichtholen. Verstaue sie einfach im Segelsack, dann klappt das nächste Ausreffen fast ohne Reibung.
Kurzanleitung Binde-Groß ausreffen
- Kurs hoch am (Steuerbord) Wind
- Baum locker in Lee (Großschot & Baumniederholer)
- Baum mit Dirk halten
- Reffleinen fieren (Reffstufe)
- Großfall dichtholen und durchsetzen
- Dabei Segel und Leinen beobachten
- Dirk fieren
- Segelkurs wählen und erster Trimm
Tipp: Markiere die Reffstufen auf der Großfall bei der Klemme.
Zusammenfassung
Wann refft man üblicherweise? Im Sturm. Und da freut sich die Crew, wenn das Boot ruhig liegt und keiner einen dritten Gang bei der Winsch sucht. Damit Mensch und Boot lacht, spreche ich diese Punkte mit meinen Leinenziehern durch:
- Wann reffen?
Das Groß zuerst, damit wir nicht über 25° krängen. Danach kümmern wir uns um die Balance zum Vorsegel. Das Rigg und die Segel müssen natürlich für die Windstärke passen. - Reff-Position:
Das Großsegel reffen wir gefiert am Wind oder im Beilieger. Jedenfalls brauchen wir es ohne Druck im Wind.
Das Vorsegel reffen wir nur im raumen Wind ein. Ausreffen und Setzen klappt bei jedem Kurs. Raumer Wind ist trotzdem besser. Für mich gilt: Vorsegel immer fliegend. - Reihenfolge:
Das Großsegel zuerst setzen und zuletzt bergen. Beim Reffen das Roll-Vorsegel möglichst lange voll ausgerefft lassen. Also das Großsegel zuerst klein und das Vorsegel zuerst groß. - Reffsysteme:
Beim Rollgroß muss der Baum waagrecht sein, damit die Wickelanlage faltenfrei einrollt. Beim Bindegroß muss das Segel frei nach oben laufen können. Reffen passiert immer im Duett, mit Blick zu den Segeln, nicht zur Winsch.
Wie dunkel die Wolken werden dürfen, weiß jeder selbst am besten. Doch wer den Wind für sich arbeiten lässt, ist auch im Sturm gewappnet.