Sieben Landratten. Zweiter Segeltag. Wollt ihr bei so viel Wind wirklich noch ausfahren? Diese Frage motivierte sie wohl noch mehr.
Na gut, dann üben wir die Halse eben bei 23 Knoten!
Während ich mich auf meine Zeichnungen konzentriere, überrollt uns eine 35 kn Böe und saugt dem frisch gebackenen Steuermann das Blut aus dem Gesicht. Die Reling taucht ins Meer und die Crew hält die Luft an, bereit für das Schlimmste.

Adrenalin vermischt sich mit Cortisol. Ganz schlecht! Ich brauche schnell Stabilität.
Die Wende kennen sie bereits, also klappt auch das Beidrehen ohne zusätzlichen Stress. Während ich den Bug durch den Wind ziehe und die Segel scheinbar verknote, darf jeder seinen Griff der Wahl behalten.
Das Boot wiegt sich im Beilieger und ganz schnell ist die Welt wieder in Ordnung. Die Nervösität verschwand aus den Adern und war in der ganzen Woche nie wieder zu spüren.
Ich zeige es dir von A bis Z
Das Beidrehen ist spielend leicht, sogar einhändig. Doch jedes Boot reagiert anders, und dafür möchte ich dir diesen Guide geben. Beiliegen wird gemütlicher, stabiler und sicherer.
Mit diesen Fähigkeiten liegst du nicht nur perfekt über den Wellen, sondern kannst auch deine Position besser halten. Außerdem bist du in Sekundenschnelle wieder manövrierfähig.
Wenn es hart auf hart kommt, ziehe einfach die Reißleine.
Übersicht
Wie sieht ein beiliegendes Boot aus?
Das Beidrehen ist ein Manöver unter Segeln, bei dem wir das Boot beruhigt in Wind und Wellen legen. Beim Beiliegen treibt es stabil mit 1-3 Knoten nach Lee ab. Die Bedingung dafür ist ein back stehendes Vorsegel.

Diese perfekte Balance erreichen wir mit vier Stellschrauben.
1. „Amwindkurs“
Ein erfolgreich beigedrehtes Boot stabilisiert sich ca. in Richtung 45-50° zum Wind. Das sieht zwar wie der Amwindkurs aus, wir machen jedoch keine Meter gegen den Wind, sondern driften idealerweise genau nach Lee. In dieser Position legt sich das Boot schräg über die Wellen und schneidet sie von vorne.
2. Backstehendes Vorsegel
Vor der Wende lassen wir die Vorschot einfach belegt. Das Vorsegel kann dadurch nicht übergehen und steht nach der Wende back. Nun wird es nicht mehr aerodynamisch angeströmt, sondern drückt den Bug nach Lee wie ein offener Regenschirm im Sturm.
Beim ersten Mal hat man kein Vertrauen in die verdrehten Segel. Das soll ich im Sturm freiwillig machen?! Tatsächlich ist diese ikonische Segelstellung die wichtigste Eigenschaft des Beiliegers. Es klappt mit Fock, Genua oder Sturmsegel.
3. Hartes Luv-Ruder
Das Ruder ist die Gegenkraft, die wir für den Beilieger brauchen. Legen wir es hart nach Luv, hält es das Vorsegel in Schach. Sollte sich der Bug aus dem Wind drehen, wird das Ruder umströmt und zieht uns wieder nach Luv.
4. Getrimmtes Großsegel
Beiliegen funktioniert selbst ohne Großsegel, allerdings hat es eine stützende und dämpfende Wirkung aufs Boot. Es ist ein Gegenspieler zum Vorsegel und hält uns damit am Wind.
Wir wollen jedoch weder Krängung noch Fahrt voraus erzeugen. Deshalb fieren wir den Baum, kurz bevor der Druck raus ist. Mit dieser Stellschraube suchen wir die perfekte Balance, damit das Boot auch wirklich ruhig liegt.
Das magische Dreieck
Anfangs merkt man eine sanfte Pendelbewegung. Nach entsprechendem Segeltrimm treibt das Boot irgendwann in ruhiger Lage. Dafür brauchst du dieses magische Kräftedreieck zwischen Vorsegel, Großsegel und Ruder.

- Das Vorsegel kann nicht weiter abfallen, weil das Ruder und das Großsegel dagegenhalten.
- Das Großsegel kann keine Fahrt generieren, weil das Vorsegel Windschatten und Turbulenzen verursacht.
- Sollten wir dennoch Fahrt machen, richtet das Großsegel und das Ruder diese Energie in den Wind und verbraucht sie.
Obendrauf bremst uns der Kiel, wodurch wir mit geringer Fahrt in stabiler Lage nach Lee treiben. Als Bonus wirkt das quer stehende Ruder wie ein kleiner Treibanker.
Bei so einer harmonischen Balance muss ich einfach grinsen! Genau das richtige für eine Pause zum Batterieladen.
Beidrehen Schritt-für-Schritt-Anleitung
Beiliegen kann jedes moderne Segelboot mit Groß- und Vorsegel, auch Katamarane. Beidrehen ist das Manöver, das ich dir gleich zeige.
Schnellanleitung Beidrehen
- Langsam Wende einleiten
- Schoten belegt lassen
- Vorsegel steht back, hart Luv-Ruder
- Baum etwas fieren

Das Manöver funktioniert wie eine Wende, bei der die Vorschoter verschlafen. Wir bekommen das back stehende Vorsegel, wenn wir während einer Wende die Schoten ganz einfach belegt lassen. Das Vorsegel möchte zwar nach Lee, wird aber von der Luv-Schot back gehalten.
Eine Wende startet man idealerweise aus dem Amwindkurs, sie klappt jedoch aus allen anderen Kursen.
- Skipper: Klar zum Beidrehen!
- Vorschoter antworten: Klar!
- Skipper: Ree!
Die Person am Ruder steuert in die Wende. Dabei ruhig Zeit lassen, denn wir brauchen den Schwung einer echten Wende nicht. Wir können uns im Wind sogar komplett entschleunigen. Sobald die Segel killen, kommt das Kommando:
- Skipper: Schoten bleiben belegt!
Während der Wende geht der Baum über. Das Vorsegel wirft seinen Bauch auch nach Lee, doch das Luv-Schothorn behält es auf Spannung. Jetzt steht es Back.
Danach legt der Steuermann hartes Luv-Ruder und arretiert es. Da wir kaum Fahrt haben, kehrt das die Wende auch nicht um.
- Skipper: Fier auf die Großschot!
Um entspannt beizuliegen, brauchen wir kaum Druck im Groß. Jetzt kommt der Zeitpunkt, den Baum etwas zu fieren.
Schon können die Hände weg! Wir haben unser Gleichgewicht und liegen bei.
Beilieger Schritt-für-Schritt Auflösen
Aus dieser Situation kommen wir ganz leicht wieder heraus. Es gibt viele Methoden, ich habe allerdings diesen Favoriten.
Skipper: Klar zum Auflösen des Beiliegers!
Schnellanleitung Auflösen
- Ruder lockern
- Großschot dichtholen
- Halse einleiten
- Schoten belassen, Baum geht über
- Anluven auf neuen Kurs

Eine elegante Lösung, oder? Hier sind weitere Optionen, die dich flexibler machen.
Variante 1: Mit Motor in die Wende
Gerade bei Notsituationen wie Mann über Bord ist der Motor praktisch und verleiht die so wichtige Kontrolle. Ihr holt einfach das Groß wieder dicht und tuckert in die Wende. Danach ist alles wieder wie vorher.
Wenn du nur zum Delphine-Stalken beigedreht hast, musst du den Motor nicht unbedingt starten. Es geht auch grüner.
Variante 2: Vorsegel überholen
Uns hält ja das back stehende Vorsegel in Balance. Wenn wir es überholen, wird normal weiter gesegelt. Dazu vollenden wir ganz einfach die halbherzige Wende.
Wir stellen das Ruder mittschiffs und das Groß auf Halbwindkurs. Das Boot wird leicht abfallen und Fahrt bekommen. Nun müssen wir unsere Vorschoter aufwecken. Der Luv-Schoter fiert während der Lee-Schoter dichtholt. Das Vorsegel geht über.
Was ich daran nicht mag: Gerade unter heftigen Wetterbedingungen fetzt der Wind an den Segeln. Das back-stehende Vorsegel liegt oft am Mast an und wird bei diesem Manöver schlagend vorbei geschleift. Wenn nichts schiefgehen darf, genau dann hakt es auch dann noch an einem Schäkel.
Es geht auch materialschonender.
Variante 3: In die Halse – Beste Methode
Für eine Halse lösen wir die Arretierung des Ruders und steuern sanft nach Lee. Gleichzeitig holen wir die Großschot dicht, wir wollen ja keine Patenthalse. Das Boot gewinnt an Fahrt und fällt ab. Der Wind kommt inzwischen achterlich und wir können die Halse vollenden.
Dabei sehen wir einfach zu, wie das Vorsegel sich aus seiner Zwangsjacke löst und in seiner vollen Pracht aufatmet. Das Großsegel geht über und der neue Kurs kann angesteuert werden.
Optimierungs-Tipps
Lebensrettende Sturmtaktik
Von der wärmenden Gulaschsuppe bis zum Rettungsmanöver. Beiliegen sorgt für Stabilität.
Selbst im Wetter-Chaos kannst du beiliegend bequem das Großsegel reffen. Das klappt viel angenehmer als Rodeo-reitend auf den Wellenbergen gegen den Sturm.
Und im Ernstfall? Das intuitive Manöver „Crash-Tack“ nutzt Beiliegen und rettet damit eine Person auch auf hoher See, nicht nur am Papier. Genau in dieser Situation ist Kontrolle und Entspannung wohl das Wichtigste.
Beidrehen lieber nach Backbord
Beiliegen funktioniert in beiden Richtungen gleich gut. Vollkommen stressfrei wird diese Entspannungsübung jedoch nur in einer.
Wir sind ja kein Treibgut, sondern gelten weiterhin als ein Segelschiff in Fahrt. Allerdings sind wir ungefähr so manövrierfähig wie ein Ast in der Strömung. Was machst du bei Kollisionskurs? Wenn möglich, am besten gar nichts.
Startest du die Wende mit Backbord-Wind, hast du im Beilieger Steuerbord-Wind. Das verschafft dir grundsätzlich Kurshaltepflicht und zwingt alle anderen zum Ausweichen.
Nur ein Segelboot in deinem Lee wäre noch bevorzugter (zu den üblichen Ausnahmen). In der Realität könnte das nur ein zweites beiliegendes Boot sein.
Die Segel richtig trimmen
Beiliegen ist absolut einfach. Jedoch hat jedes Boot eine eigene Vorstellung von perfekter Balance. Es hängt logischerweise von den Wetterbedingungen ab, der Bauform und wie du deine Segel trimmst.
Sollte dein Boot stark gieren oder Seitwärtsfahrt machen, hast du das Gleichgewicht noch nicht gefunden.
Ein zu großes Vorsegel kann das Boot auf einen Raumwindkurs drängen. Steht die Patenthalse nahe, bleibt die Entspannung fern. Daher halte ich das Boot lieber am Wind und setze auf ein kleineres Vorsegel oder erhöhe die Kraft im Großsegel.

Die Bilder im folgenden Artikel zeigen dir, wie wir ein Boot nur mit den Segeln lenken. Genau dieses Gleichgewicht verstellen wir hier.
Beidrehen mit Selbstwende-Vorsegel
Dein Vorsegel wechselt die Seite automatisch? Eigentlich praktisch, hier blöd.
Die pragmatischste Lösung wäre, den Schotschlitten zwischen den Stoppern an der Schiene einzuklemmen. Alternativ kannst du das Schothorn mit einem Bändsel einfach zur Seite binden. Allerdings müsstest du beim Setzen und Lösen das Cockpit verlassen.
Hier ist die eleganteste Lösung: Führe eine 4 mm Hilfsleine über Rollen achtern ins Cockpit und sichere sie an der Curryklemme. Mit einem kleinen Ruck löst du das Segel wieder. Eine Wissenschaft muss das nicht werden. Die Hilfsleine hält ja nur das Segel back.
Und nicht vergessen: Dein Konstrukt brauchst du eigentlich nur auf der Steuerbordseite!
Welche Ruhepositionen bei Sturm?
Wie bei jeder Stresssituation hast du die Wahl aus Fight, Flight und Freeze. Alle drei wirken sich unterschiedlich auf das Boot (und damit die Crew) aus.
Fight: Mit Motor gegenan
Nur wer dem Ungeheuer ins Auge blickt, kann es bezwingen. Na ja, besser du suchst dir ein kleineres Ungeheuer als Poseidon.
Mit dem Motor direkt gegen den Wind anzufahren verhindert zwar starkes Gieren und Rollen, bringt aber kaum Ruhe aufs Schiff. Bei heftigem Stampfen schlägt das Vorschiff alle paar Sekunden auf die Wellen auf. Anfangs mag das Adrenalin noch schützen, doch schon bald spürt man diese Stöße in allen Gelenken.
Flight: Ablaufen vor Topp und Takel
Vor Topp und Takel bedeutet ohne Segel auf See. Das Boot wird mit Poseidon einfach allein gelassen. Schnell unterwirft es sich und präsentiert ihm die verwundbarste Position: eingeklemmt zwischen Wellenbergen.
Das sorgt für beängstigendes Rollen. Bei jeder Welle denkt die Crew ans Kentern anstatt an die nächsten Schritte. Zusätzliches Gieren bringt das Fass zum Überlaufen, wörtlich. Die wobbelnde Bewegung ist ein teuflisches Rezept für Seekrankheit.
Freeze: Beiliegen
Das ist die perfekte Mischung und die einzige Segeltechnik für Sturmbedingungen, bei der die Hände frei sind.
Das Boot kann allein gelassen werden, allerdings in stabiler Lage. Es schneidet die Wellen im 45° Winkel und dämpft damit Stampfen und Rollen. Du brauchst lediglich eine Person als Aufpasser.
Beiliegen ist zu schön, um wahr zu sein? Es kommt noch besser:
Die Seitwärtsbewegung zieht den Kiel und das Ruder mit der Breitseite durchs Wasser. Das erzeugt Wirbel auf der Luv-Seite, die wie kleine Wellenbrecher wirken. Bei Schönwetter siehst du sie sogar unter dem Boot hervorkommen.
Also hieve dich in die perfekte Lage: Das Großsegel fängt gerade noch den Wind, das back stehende Vorsegel ist voll, aber nicht übermächtig und das Ruder liegt hart Luv.
Zeit für eine verdiente Pause, die dir bestätigt:
Poseidon mag der Herr der See sein, doch du bist dein eigener Boss.