Mit meinem Ankermanöver schläfst du wie ein Stein

Ja, es war peinlich, vielleicht auch gefährlich. Unser Skipper war einer der Sorte, Ich Chef, du nix.

Beim Ankern schaffte er dennoch die drei grundlegenden Fehler: zu viele Felsen, zu wenig Ankerkette und kein Plan vom Wind.

Zweifel machten sich in meiner Magengrube breit.

Hält der Anker? Hält er nicht? Diese plagende Frage möchte ich dir ersparen. Für eine ruhige Ankernacht braucht es mehr als Daumendrücken.

Ich liege mittlerweile auch bei Sturm extrem enstpannt vor Anker. Die knarzenden Geräusche helfen mir sogar beim Einschlafen. Mein letzter Gedanke ist nicht ein Stückchen Metall in der Tiefe, sondern die Vorfreude auf den nächsten Tag.

Kurzanleitung für den perfekten Halt

Ankern

  1. Fahre den Ankerplatz gegen den Wind an.
  2. Kontrolliere die Wassertiefe, bei der du den Anker fallen lassen möchtest.
  3. Berechne die nötige Ankerkettenlänge: 5–10 x (Wassertiefe + Freibord).
  4. Senke den Anker bei leichter Rückwärtsbewegung bis zur gewünschten Länge.
  5. Fühle das Boot: Es gibt einen sanften Ruck, sobald der Anker greift.
  6. Pendle das Boot im Wind aus.
  7. Fahre den Anker rückwärts ein. Starte sachte, dann 30 Sekunden lang Vollgas. Ja, Vollgas.
  8. Bestätige währenddessen den Halt mit seitlichem Blick auf Landmarken.
  9. Montiere die Ankerkrallen.

Ablegen

  1. Lass dir die Position des Ankers anzeigen.
  2. Fahre auf ihn zu und entlaste damit die Ankerkette.
  3. Hebe den Anker.
  4. Halte das Boot hinter dem Anker in Position.
  5. Wasche den Anker durch Heben und Senken an der Wasseroberfläche.
  6. Hole den Anker in vorsichtigen Schritten fertig ein.

So sieht ein perfektes Ankermanöver aus. Zwei, drei Anläufe sind normal, trauen sich jedoch die wenigsten. Sieh dir die Anker der Nachbarboote an – viele sind kaum eingegraben. Auf diesen Booten würde ich nur mit einem Auge schlafen.

Nicht der Anker hält, sondern die Kette

Je schwerer der Anker, desto besser der Halt? Eine tückische Intuition. Nein, der Anker ist kein Ballast, der am Boden schleift wie eine Comic-Fußfessel. In Wahrheit hat er nur eine einzige Aufgabe: Graben.

Drückt der Wind das Boot vom Anker weg, hebt sich die Kette Glied für Glied vom Meeresgrund. Das schwere Eisen möchte natürlich nicht schweben, sondern am Grund liegen. Dadurch entsteht Spannkraft wie in einem gedehnten Gummiband. Lässt der Zug nach, wandern die zwei Enden wieder zueinander.

Du siehst, der Anker muss lediglich liegen bleiben, während das Gewicht der Kette das Boot immer wieder zu ihm zieht. Verrückt, oder?

Die korrekte Ankerkettenlänge

Genau deswegen lassen wir so viele Meter auf den Meeresgrund rasseln:

5 – 10 x (Wassertiefe + Freibord)

für seichte Gewässer

Einerseits für das Eigengewicht, das die Spannkraft der Kette erzeugt und andererseits, damit ihr Ende selbst bei Sturm immer noch flach am Grund liegen bleibt. Nur so gräbt sich der Anker tiefer und tiefer. Sobald ihn das Kettenende nach oben zieht, reißt er aus. Gut so, denn wir wollen ihn irgendwann wieder ins Boot bekommen.

Anker setzen
Anker hält
Anker reißt aus

Mit 60 m Kette und 1 m Freibord müsstest du laut der Formel unter 11 m ankern. Bei 20 m Tiefe bräuchtest du schon weit über 100 m Kette! Bevor die unten ist, schmerzt der Daumen vom Knöpfchen-Drücken. Daher meine Hausregel für tiefe Gewässer: mindestens 30 m plus Wassertiefe ausfahren.

> 30 m + Wassertiefe

für tiefe Gewässer

Damit liegen ca. 25 m Kette am Boden, wenn man die Kurvenform der Kette berücksichtigt. Mir persönlich gibt das für normale Wetterbedingungen ein gutes Gefühl. Je nach Wind und Paranoia gebe ich mehr Kettenvorlauf.

Traum-Bucht! Auch für dein Boot?

Die schönsten Ankerbuchten verrät dir ein Revierführer. Obendrein gibt es noch Infos zu Bodengrund, Gefahrenstellen oder Strömung.

Šćedro, Kroatien

Die Buchten sind unbewohnt und vermüllt, bei Jugo unsicher. Ankermöglichkeiten auf 6–12 m, Grund schlecht haltend (Seegras, Fels).

Auszug aus Revierführer 888

Klingt diese Bucht für dich einladend? Selbst wenn die Windverhältnisse passen, würde ich hier nicht bleiben. Nur ein eingegrabener Anker ist ein glücklicher Anker.

Nicht immer ist das Wasser glasklar, um den Bodengrund bewerten zu können. Hier sind die wichtigsten Bezeichnungen, die du auf Seekarten findest.

Sand und Lehm

Ein Traum! Fast alle Bootsanker lieben Sand oder Lehm und können sich tief eingraben. Super Halt.

Schlamm und Modder

Der Anker hält optimal, solange er sich verbuddeln kann. Es kommt deshalb auch auf die Bodenschicht darunter an.

Felsen, Geröll oder Korallen

Felsen geben manchmal Halt, jedoch verbeißt sich der Anker gerne. Eine Hassliebe. Dann bekommst du ihn aus 12 m Tiefe nicht mehr ins Boot und selbst wenn, vermutlich verbogen.

Seegras, Tang oder Kelp

Auf Seegras hält der Anker kaum und zerstört obendrein die Natur. Wenn er doch hakt, dann vermutlich an den Wurzeln oder an kleinen Vorsprüngen. Das kann sich schnell wieder lösen.

Wichitge Bodengrund-Kürzel auf Seekarten

KürzelBodengrund
SSand
CyLehm (Clay)
MSchlamm, Modder
SgGrober Kies (Shingle)
StSteine
FFels
CoKorallen
WdSeegras (Seaweed)

Wind- und Wellenschutz planen

Schöne Buchten prahlen nicht nur mit Sandstrand. Sie spendieren Windschatten und sind natürliche Wellenbrecher. Wie gut sie ihre Aufgabe erfüllen können, hängt allerdings vom Wetterbericht ab. Achte auch darauf, wie der Wind dreht.

Was lese ich da? Der kroatische Süd-Wind Jugo bahnt sich an! Auf unserer obigen Insel Šćedro wird es bald ungemütlich. Der auflandige Wind sorgt für Schwell und ungemütlichen Seegang. Außerdem drängt er uns zur Küste hin. Trotz … oder gerade wegen der langen Ankerkette kann das gefährlich werden.

Sichere Schwoj-Zone checken

Den Abstand zwischen Anker und Boot beeinflussen wir logischerweise mit der Kettenlänge. Die Richtung des Bootes bestimmen hingegen Wind und Strömung. Dadurch entsteht ein Kreisumfang, auf dem unser Boot 360° drehen kann: der Schwojkreis.

Innerhalb der gesamten Zone muss stets – wie es so schön heißt – eine Handbreit Wasser unter dem Kiel sein. Beachte, dass sich der Schwojradius verändern kann. Ein kräftiger Wind drängt das Boot auf einen größeren Radius.

Ein sicheres Gefühl bringt die Erfahrung. Anfangs drehte ich das Boot mit reiner Flossenkraft im Kreis, um ein Gefühl für das Schwojen zu bekommen. Man kassiert belustigte Blicke, es funktioniert allerdings überraschend gut!

Hier verlinke ich dir eine App, die ich als elektronische Ankerwache nutze. Bricht das Boot aus deinem definierten Schwojkreis aus, schlägt sie Alarm.

Nicht zu kurz bei Tidenhub

Beim Ankern in Gezeitengewässern sind zwei Aspekte ausschlaggebend: die maximale und die minimale Wassertiefe. Die Differenz nennt sich Tidenhub.

Wie hoch das Wasser steigen wird, müssen wir wissen, um die richtige Länge der Ankerkette zu berechnen. Wir möchten natürlich nicht, dass der Anker bei Flut unter dem Boot baumelt wie ein Teebeutel.

Wie niedrig das Wasser sinken wird, interessiert vor allem die Versicherung. Geht sich das Schwojen noch in alle Richtungen aus?

Ankerfehler mit Nachbarn

Wir haben unseren idealen Ankerplatz gefunden. Tja, den Einfall hatten auch andere! Jetzt müssen wir beim Schwojen nicht nur auf die Wassertiefe achten, sondern auch auf andere Boote.

Fehler 1: Windrichtung missachten

Warum wir den Ankerplatz gegen den Wind anfahren, hat zwei gute Gründe.

  • Beim Ankersetzen treiben wir im Wind langsam zurück, was den Anker von Beginn an mit der Spitze nach unten ausrichtet und die Ankerkette glatt über den Meeresgrund legt.
  • Wir suchen nicht genug Abstand zwischen den Booten, sondern genug Abstand zwischen den Ankern. Dazu ein Beispiel:

Die Crew Früher Vogel dümpelt bereits zufrieden im Wasser, ihr Boot treibt vor Anker gemütlich im Wind. Nun tuckert die Crew Nachteule zum Ankerplatz und fährt ihn so wie es gerade passt an. Genügend Platz ist ja zwischen den Booten, also Anker runter!

Kaum ist das Manöver fertig, wird es langsam enger. Ankerkette zu lang? Bevor der Gedanke fertig gedacht ist, rennen bereits alle mit den Fendern.

Je näher die Anker gelegt sind, desto eher schwojen wir am selben Kreis. Wer mit dem Wind ankert, erkennt das automatisch. Wir wollen einen eigenen Kreismittelpunkt – logisch!

Deshalb müssen wir beim Ankern auch die Ankerpositionen abschätzen, nicht nur die Boote.

Fehler 2: Ein Boot hat zu wenig Kette gelegt

Alles passt, solange es passt. Ich hatte mit dem Wind angelegt, genügend Kettenvorlauf, riesiger Abstand zum Nachbarboot und das Ankerbier schon in der Hand. Eine Stunde später kamen sich unsere Boote näher und näher. Hä? Der drehende Wind vereinte unser Schicksal auf einem Ort – in Sachen Ankern eher ungünstig.

Ja, ich hatte den Schwojkreis gut abgeschätzt. Nicht unsere Kette war zu lang, sondern die des Nachbarn zu kurz!

Viele Urlaubsskipper geizen mit ihrer Kette aus Angst vorm Schwojen. Dabei geht das genau nach hinten los. Schwojt das eine Boot mit einem langen Radius und das andere mit einem Kurzen, ergibt sich eine Überschneidung.

Seitdem frage ich nahe Nachbarn nach ihrer Kettenlänge. Besser so sich kennenzulernen, als bei Knarzen und Krachen mitten in der Nacht.

Die Ankerwinsch braucht Liebe

Endlich passt alles! Nur noch eines zu tun: die Ankerkralle setzen. Diese Kralle und zwei Leinen leiten die Belastung der Ankerwinsch auf die Klampen um, sofern dein Klampenschlag sitzt. Das schont die Lager und verhindert, dass die Kette am Bug scheuert.

Rüttler vom Seegang und die ständige Belastung tun der Ankerwinsch nichts Gutes und zeigen sich früher oder später. Ich musste einer benachbarten Crew mal hilflos zusehen, als ihre Kettenglieder durch die Winsch rasselten:

Hektische Rufe am Bug. Die Crew stemmt sich gegen die Ankerkette, um die letzten Glieder zu retten. Die Finger gefährlich hinter der Führung. Der Steuermann umklammert ratlos das Steuerrad, weil niemand mit ihm redet. Dann passiert es. ZENG! Das Bändsel reißt und somit schlängelt sich auch der letzte Rest der Kette zum Boden. Für diese Nacht gabs wohl kein Zuhause.

Dabei hätte der Steuermann bloß auf den Anker zufahren müssen, um die Kette zu entlasten. Das ist besonders wichtig, wenn wir den Anker lösen. Eine glückliche Ankerwinsch macht „tack, tack, tack“ und nicht „uuuh klack, uuuh klack, uuuh klack“.

Stressfrei ankern ist ganz leicht

Wir alle haben von peinlichen oder gar gefährlichen Ankermanövern gehört. Doch mit einem guten Verständnis, der entsprechenden Vorbereitung und klarer Kommunikation kannst du solche Sorgen minimieren. Natürlich, ich habe nicht einmal die verschiedenen Ankertypen erwähnt! Doch wer die Basics beherrscht, schafft den Rest auch.

Wählst du die passende Bucht mit gutem Untergrund, wird Ankern zum wahren Genuss. Richte dein Boot im Einklang mit dem Wind aus, gib genug Kettenvorlauf, überprüfe den Schwojradius der umliegenden Boote und lehne dich beim Eindampfen entspannt zurück. Hast du fremde Anker im Blick, überrascht dich nichts mehr.

Seien wir uns ehrlich. Niemand möchte bei einer zauberhaften Nacht in einer entlegenen Bucht kreisende Gedanken haben. Das einzige, das kreisen soll, ist das friedlich treibende Boot.

Tristan

Tristan

Als ICC-zertifizierter Skipper entdecke ich die Nuancen der Segelwelt. Entweder mit Leinen in der Hand, oder Tastatur unter den Fingern.